Reha stärkt Familien

Zum Deutschen Reha-Tag „Reha stärkt Familien“ kamen zahlreiche Referent*innen und Fachleute zusammen. Foto: © Uli Gruber / AWO Bezirksverband Ober- und Mittelfranken
Der Bezirksverband Ober- und Mittelfranken beleuchtete beim 20. Deutschen Reha-Tag im September 2023 diverse Aspekte von Reha und warf einen Blick in die Zukunft.
Im September fanden bundesweit Aktionen des Deutschen Reha-Tags statt. Unter dem Motto „Reha stärkt Familien“ stellten sich Akteure der Rehabilitation vor und sorgten für ein vielfältiges und abwechslungsreiches Programm. Als Verband, der sich für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen einsetzt, ist uns die Rehabilitation ein besonders wichtiges Thema. Der GesundheitsService AWO, seit Anfang des Jahres Mitglied des Initiatorenkreises des Bündnisses für Reha, führte die diesjährige zentrale Auftaktveranstaltung in der AWO Seenlandklinik Lindenhof für Mütter und Kinder in Gunzenhausen durch. Ein umfassendes Programm sowie eine interessante Podiumsdiskussion sorgten für spannende Gespräche und wir ließen es uns nicht nehmen, bei einigen Teilnehmer*innen mit folgenden Fragen um Feedback zu bitten:
- Welche Bedeutung hat für Sie das Motto des Reha-Tags „Reha stärkt Familien“?
- Was war für Sie die wichtigste Erkenntnis aus der Teilnahme an unserer Auftaktveranstaltung?
- Ein Blick in die Zukunft 2030: Wenn wir uns dann vielleicht erneut zum Reha-Tag unter dem Motto „Reha stärkt Familien“ treffen, was sollte bis dahin passiert sein?
Feedback von Sonja Borzel, Vorstandsvorsitzende des AWO Bezirksverbands Ober- und Mittelfranken e. V. und Geschäftsführerin der GesundheitsService AWO gGmbH
Seit über 40 Jahren sind wir Träger von Mutter-Kind-Kliniken und können somit auf langjährige Erfahrungen zurückgreifen. Die Einrichtungen haben sich über die Jahrzehnte entwickelt von den sogenannten Müttergenesungsheimen hin zu Vorsorge- und Rehakliniken. Zu Beginn stand die Erholung der Mütter im Vordergrund, später kamen die Kinder hinzu und der Aufenthalt betrug in der Regel sechs Wochen, später wurden es vier und nun sind es nur noch drei. Heute haben wir hochspezialisierte Kliniken, hohe Anforderungen an Therapieangebote und Personal, eine gesetzlich geforderte externe Qualitätssicherung wie in vielen anderen Leistungsbereichen auch – und schwierige finanzielle Rahmenbedingungen. Aber der Bedarf an stationären Maßnahmen für Mütter oder auch Väter mit ihren Kindern ist ungebrochen hoch – nach den schwierigen vergangenen Jahren größer denn je – und die Wartezeit ist lang. Ich persönlich habe die Entwicklungen in diesem Bereich über viele Berufsjahre intensiv begleitet und erlebt. Was mich schon immer sehr beeindruckt hat, sind die großen Therapieerfolge, die in dieser kurzen Zeit erzielt werden können. Reha in dieser Form stärkt Familien nachhaltig – dafür gibt es zahllose Beispiele – und trägt damit zur gesamtgesellschaftlichen Stabilität bei.
Die Veranstaltung hat viele verschiedene Aspekte und Blickwinkel aufgezeigt und es wurde sehr deutlich, dass man immer das gesamte System betrachten sollte. Egal, ob es um sich ein Angebot im Bereich der Sucht- oder der Kinder- und Jugendreha dreht, um eine Maßnahme für Mütter / Väter alleine bzw. mit ihren Kindern oder für pflegende Angehörige – wenn eine Person im Familien- oder Beziehungssystem ausfällt oder krank wird, hat das Auswirkungen auf alle anderen. Daher ist es auch so wichtig, beispielsweise Kinder oder Elternteile nicht nur als Begleitpersonen zu kategorisieren, sondern diese in die Behandlung zu integrieren. Was mich sehr berührt hat, war das deutlich zu spürende hohe Engagement und die Emotionalität der Vortragenden, Podiumsteilnehmer*innen und Gäste. Familiengesundheit geht uns alle an. Die individuellen, passgenauen, hochspezialisierten Angebote zur Vorsorge und Rehabilitation sind ein wertvolles Instrument, das erhalten bleiben muss.
Im Jahr 2030 bekommt jede Mutter zur Geburt ihres Kindes von der Krankenkasse einen Gutschein, der es ihr ermöglicht, drei Mal bis zum Kindesalter von 14 Jahren eine Mutter-Kind-Maßnahme durchzuführen. Die Anzahl der Kliniken hat sich deutlich erhöht, dadurch gibt es ein ausreichend großes Therapieangebot mit Spezialisierungen und Schwerpunkten. Die Finanzierung ist gesichert. Einrichtungen, die bereits lange auf dem Markt sind, konnten saniert werden, da die Politik und die Kostenträger die Notwendigkeit einer Refinanzierung der Investitionskosten auch für diesen Bereich erkannt haben.
Feedback von Jürgen Orthum, Bereichsleiter Rehabilitation AOK Bayern - Die Gesundheitskasse
Das Motto des Reha-Tages „Reha stärkt Familien“ ist uns auch als AOK Bayern ein sehr wichtiges Anliegen. So sehen wir die Rehabilitation als sehr wertvollen Baustein in der Gesundheitsversorgung für unsere Versicherten und insbesondere für die Familien. Mit der Vater-Mutter-Kind-Vorsorge und der Rehabilitation durch die stationären Mutter-Vater-Kinder-Einrichtungen, aber auch mit den Leistungen für die Rehabilitation für Kinder und die familienorientierte Rehabilitation stehen Familien in schwierigen Situationen zentrale Leistungen zur Verfügung.
Der intensive Austausch mit allen Beteiligten, den Vertretern der Rehaeinrichtungen, der Medizin und den Verbänden, aber auch der örtlichen Politik und insbesondere den Patientinnen und Patienten, hat das gemeinsame Ziel noch mal verdeutlicht: Das hohe Niveau in der Gesundheitsversorgung in diesem Segment zu erhalten und zielgerichtet gemeinsam weiterzuentwickeln.
Wenn es uns gelingt, das Versorgungsniveau im Bereich der Rehabilitation für Familien weiter zu verbessern, dann wäre gerade auch den betroffenen Familien viel geholfen.
Feedback von Dr. med. Markus Koch, Chefarzt an der Alpenklinik Santa Maria, Oberjoch, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Kinderpneumologie, Allergologie
In der Rehabilitation für Kinder und Jugendliche stehen zwar die chronisch kranken Kinder im Mittelpunkt, dennoch geht die Versorgung deutlich über die Untersuchung und Therapie unserer Patienten hinaus. Vielmehr weiten wir den Blick auf die gesamte Familie mit ihren Ressourcen, Bedürfnissen und Nöten. Ein chronisch krankes Kind benötigt Unterstützung in seiner Umgebung, es sind in den meisten Fällen die Eltern, die wir im Umgang mit dieser Erkrankung schulen, darüber hinaus aber auch die Resilienz stärken wollen, damit in schwierigen Zeiten, z. B. bei akuter Verschlechterung, der Umgang mit der Erkrankung des eigenen Kindes händelbar bleibt. Nur wenn es den Eltern gut geht, kann es auch dauerhaft den Kinder gut gehen.
Meine wichtigste Erkenntnis war, dass viele Familien noch nicht ausreichend informiert sind über die Möglichkeit der Rehabilitation, so dass aus meiner Sicht eines der Ziele unserer Arbeit sein müsste, die hervorragenden Möglichkeiten der Behandlung in weiteren Schichten der Bevölkerung bekannt zu machen und die Hürden der Antragsstellung so gering wie möglich zu setzen.
Die bisherigen Versorgungsstrukturen in der Kinderund Jugend-Reha reichen, gemessen an den aktuellen Bedürfnissen, nicht aus. So müsste einerseits innerhalb der Begleitpersonen-Konzepte mehr Personal in den Kliniken angestellt werden, um die Angebote für erwachsene Angehörige, aber auch Begleitkinder breiter anbieten zu können. Andererseits müssen Rahmenbedingungen wie die Unterbringung der Familien z. B. zu 2-Zimmer-Appartments mit getrennten Schlafbereichen für Eltern und Kinder ausgebaut werden. Das benötigt Geld. Ich denke aber, dieses Geld ist hervorragend investiert für die Stärkung unserer Familien.
Feedback von Gotthard Lehner, Leiter der Fachklinik Haus Immanuel
Im Alltag wird bei Erkrankungen oder Belastungen immer wieder nur der*die sog. „Indexpatient*in“ gesehen und nicht das gesamte Umfeld. Es gilt, die persönliche Erkrankung zu heilen und man übersieht dabei sehr oft die Angehörigen und Bezugspersonen. Das Motto „Reha stärkt die Familie“ weist auf den systemischen Charakter von Belastungen hin und deshalb soll bzw. muss darauf mehr der Fokus gelegt werden.
Die Erkenntnis: Immer wieder in systemischen Kreisen zu denken, die Ursachen und Lösungsansätze dort zu suchen und lineare Ansätze zu erweitern und auch über genderspezifische Ansätze immer wieder neu nachzudenken.
Dass die Lasten innerhalb von Familien (Bezugsfeldern) gerechter verteilt werden und die Bezahlung von allen Familienangehörigen gerechter erfolgt. Die Familie sollte einen höheren Stellenwert haben und die Leistungen innerhalb dieser mehr anerkannt werden.
Der GesundheitsService AWO setzt sich nachhaltig dafür ein, die Familien zu stärken und möchte sicherstellen, dass jede*r die Unterstützung erhält, die er*sie braucht. Von der klassischen Vater-Mutter-Kind(er)-Konstellation mit und ohne Trauschein und den Mehrgenerationen-Haushalten, über Alleinerziehende bis zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit leiblichem oder adoptiertem Nachwuchs oder aber auch ohne Kinder: Für die AWO ist Familie überall dort, wo Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen, Sorge tragen und Zuwendung schenken. Wir setzen uns dafür ein, dass dieser inklusive Familienbegriff gesamtgesellschaftlicher Konsens wird.
Wir freuen uns über die gelungene Veranstaltung und sagen ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten!