Politische Lobbyarbeit in turbulenten Zeiten

Das ZFF-Team auf der Kundgebung „Die Letzte macht das Licht aus“, Foto: © Zukunftsforum Familie
Das Zukunftsforum Familie brachte sich 2023 in die Debatten um Kindergrundsicherung und Selbstbestimmungsgesetz ein, kämpfte mit dem Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“ und protestierte gegen die Kürzungspläne der Bundesregierung.
Das Jahr 2023 war verbandspolitisch turbulent. Neben der Kindergrundsicherung, deren Umsetzung uns das ganze Jahr beschäftigt hat, haben wir uns intensiv in die Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz eingebracht, mit dem Bündnis „Sorgearbeit fair teilen“ für eine geschlechtergerechte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit gekämpft und gemeinsam mit dem AWO Bundesverband die Kampagne „Die Letzte Macht das #LichtAus“ durchgeführt.
Den Auftakt bildete Mitte Januar die Veröffentlichung der Eckpunkte für ein Konzept zur Kindergrundsicherung durch das Familienministerium. Es folgten viele intensive Gespräche mit Abgeordneten des Bundestages, mit Vertreter*innen der Bundesregierung sowie mit Verbänden, um unsere Position klarzumachen: Eine #EchteKindergrundsicherung bekämpft nur dann Armut und Chancenlosigkeit, wenn sie eine armutsfeste Höhe auf Grundlage der Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums beinhaltet und automatisch ausgezahlt wird. Diese Forderungen machten wir auch immer wieder mit dem Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG stark. Gemeinsam mit dem AWO Bundesverband veröffentlichten wird im März einen Offenen Brief an BM Lindner, in dem wir ihn aufforderten seine Blockadehaltung aufzugeben und zusätzliches Geld für die Kindergrundsicherung bereitzustellen. Seit Ende Oktober liegt nun auch – nach langem Ringen innerhalb der Ampel-Koalition – ein Gesetzentwurf für eine Bundeskindergrundsicherung vor. Das ZFF äußert sich dazu in seiner Stellungnahme kritisch, da er in seiner jetzigen Version nur bedingt das Versprechen halten kann, Kinder und Jugendliche aus der Armut zu holen. Das ZFF fordert deshalb neben einer ausreichenden und armutsvermeidenden Höhe der neuen Leistung, die Vermeidung von Doppelstrukturen und mehrfacher Antragsstellung und ein Ende der Bevorteilung von vermögenden Eltern durch die Kinderfreibeträge. Zudem ist eine #EchteKindergrundsicherung eine Leistung für alle Kinder, weshalb der Ausschluss von Kindern im Asylbewerberleistungsbezug für uns nicht akzeptabel ist.
Nachdem im Dezember Pläne bekannt wurden, wonach der Familienservice nicht mehr für die Kinder zuständig sein soll, die derzeit SGB II-Leistungen empfangen, mahnten wir das in einem Forderungspapier mit dem Titel „Kindergrundsicherung: Kinder raus aus der Grundsicherung für Arbeitssuchende“ an. Auch nach dem Jahreswechsel wird weiterhin debattiert und scharf gerungen. Eine Einigung oder ein guter Kompromiss für alle Kinder und Jugendlichen, die in Armut aufwachsen ist, nicht in Sicht.
Ende August hat das Kabinett den Gesetzentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet. Das ZFF begrüßte grundsätzlich das Vorhaben. Denn Selbstbestimmung ist ein Grundrecht, das allen zustehen muss. Durch ein Selbstbestimmungsgesetz erhalten Menschen das Recht, ohne Gerichtsverfahren und Zwangsbegutachtung den Geschlechtseintrag zu wählen, der ihrer tatsächlichen Identität entspricht. Trotzdem kritisierte das ZFF in seiner Stellungnahme einige der vorgesehenen Regelungen. Insbesondere stießen die vielen Formulierungen und Vorschläge, die Misstrauen gegen trans*, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen schüren, auf Ablehnung. So soll u. a. das Offenbarungsverbot durch die Übermittlung an Sicherheitsbehörden ausgehöhlt werden, der Zugang für abgelehnte Asylbewerber*innen und im Verteidigungsfall eingeschränkt sein und Jugendlichen ab 14 Jahren die Kompetenz abgesprochen werden, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen Aus diesem Grund unterstützte des ZFF auch als Erstunterzeichnerin die feministische Petition „Diskriminierung & Misstrauen raus aus dem Selbstbestimmungsgesetz!“. Auch hierzu laufen noch die Verhandlungen im Bundestag.
Gemeinsam mit 30 weiteren Mitgliedsorganisationen des „Bündnis Sorgearbeit fair teilen“ forderte das ZFF von der Bundesregierung Maßnahmen, die dazu beitragen, die Sorgelücke zwischen den Geschlechtern zu schließen. Unter anderem wurden bei einem parlamentarischen Frühstück Abgeordneten zentrale Anliegen des Bündnisses vorgestellt: die Einführung eines Familienpflegegeldes für pflegende Angehörige, die Abschaffung des Ehegattensplittings, eine Reform des Elterngeldes mit einer Anhebung der Mindest- und Höchstbeträge und einer Ausweitung der sogenannten Partner*innenmonate und die schnelle Einführung der zweiwöchigen Freistellung für zweite Elternteile („Familienstartzeit“). Anlässlich der Haushaltsberatungen und einer Halbzeitbilanz der Ampelkoalition zur fairen Verteilung der Sorgearbeit stellte das Bündnis Sorgearbeit fair teilen fest: Die bisherigen Bemühungen der Bundesregierung bleiben weit hinter den Versprechungen zurück, keine der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen wurde umgesetzt. Das ZFF setzt sich weiter gemeinsam mit dem Bündnis dafür ein, dass dringend die Mittel bereitgestellt werden, um dies zu ändern.
Im Sommer gab die Bundesregierung einen Entwurf für den Bundeshaushalt ins parlamentarische Verfahren, durch den der Freien Wohlfahrtspflege Kürzungen und Streichungen in Höhe von insgesamt 25 Prozent drohten. Diese hätten fatale Folgen für die Demokratie, den Sozialstaat und die Gesellschaft. Im Rahmen der Kampagne „Die Letzte macht das #LichtAus“ forderten das ZFF und der AWO Bundesverband gemeinsam mit dem Bundesjugendwerk der AWO den Bundestag auf, die geplanten Einsparungen zurückzunehmen, den Koalitionsvertrag einzuhalten und die Finanzierung essenzieller Einrichtungen und Dienste sicherzustellen. Innerhalb der Kampagne wurde über die negativen Konsequenzen dieser Kürzungsvorhaben in den Sozialen Medien informiert, wobei sich das ZFF insbesondere zu den Themen Kindergrundsicherung und Pflege von Angehörigen einbrachte. Zudem veröffentlichten wir einen Offenen Brief an die Abgeordneten, den mittlerweile über 58.000 parallel als Petition unterzeichnet haben. Den Abschluss der Kampagne bildete eine Kundgebung, der sich neben ZFF, AWO und Bundesjugendwerk der AWO alle Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege sowie die Gewerkschaft ver.di anschlossen. Wir waren erfolgreich: Nicht zuletzt dieser Kampagne und den vielen Aktionen, die sie beinhaltete, ist es zu verdanken, dass ein Großteil der Kürzungen zurückgenommen wurde.

