Crowdfunding fürs Therapiebad

Therapiebad der AWO LangeoogKlinik, Foto: © AWO Bezirksverband Hannover
Der Bezirksverband Hannover schlug für die energetische Sanierung in der Eltern-Kind-Kurklinik auf Langeoog neue Finanzierungswege ein.
Ein großer Wohlfahrtsverband, der seine sozialen Projekte mittels Crowdfunding finanziert, ist eher ungewöhnlich. Wir fragten uns, ob das eine verpasste Chance ist. Wir könnten uns so mehr Flexibilität ermöglichen. Außerdem steht einem basisdemokratisch organisierten Verband doch auch ein Finanzierungsmodell gut zu Gesicht, das auf öffentlicher Mitwirkung basiert. Schon AWO-Gründerin Marie Juchacz wusste: „Das Wir ist immer stärker als das Ich.“ Also wagten wir den Versuch.
Ein neues Schwimmbad für die AWO LangeoogKlinik
Das passende Projekt für das Crowdfunding haben wir schnell gefunden. Für die Finanzierung unseres Therapiebads der AWO LangeoogKlinik, einer Eltern-Kind-Kurklinik auf der gleichnamigen nordfriesischen Insel, war ein Eigenanteil von 150.000 Euro fällig. Die übrigen Kosten der Sanierung im Gesamtvolumen von 500.000 Euro hat das Bundesumweltministerium gefördert. Die Sanierung im Therapiebad bringt gleich mehrere Vorteile. Sie wirkt den Effekten des Klimawandels entgegen, ermöglicht das Bad energieschonender und nachhaltiger zu betreiben und eröffnet den Patienten das ganze Jahr über ein wohltemperiertes Raumklima im Schwimmbad. Das ist ein großer Vorteil für die bis zu 1.200 Erwachsenen und 1.700 Kinder, die jährlich an einer Kur der AWO LangeoogKlinik teilnehmen.
Crowdfunding Schritt für Schritt
Als ersten Schritt mussten wir für die Finanzierung die richtige Plattform finden. Besonders wichtig war uns ein Partner, der soziale Projekte in den Vordergrund stellt und Investoren anspricht, die ihr Geld in gemeinnützige Projekte investieren wollen. Die Stuttgarter Online-Plattform Xavin hat sich genau hierauf spezialisiert. Xavin wurde 2018 in Kooperation mit der Landesbank Baden-Württemberg gegründet und hat bis heute schon mehr als 11,3 Millionen Euro für Vereine und soziale Träger sammeln können. Aus Gründen des Verbraucherschutzes und der Compliance haben wir über Xavin ein Vermögensanlagen-Informationsblatt bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hinterlegt. Die durch Xavin geworbene Summe haben wir als Nachrangkapital in unsere Bilanz aufgenommen.
Nachrangkapital sind Verbindlichkeiten, die in ihrer Rangfolge anderen Verbindlichkeiten nachgeordnet sind. Im Falle einer Insolvenz müssten wir die nachrangigen Verbindlichkeiten erst nach Befriedigung aller nicht-nachrangigen Gläubiger zurückzahlen. Das Darlehen ist nicht abgesichert, etwa über eine Grundschuld oder eine Zession. Für die Anleger besteht deshalb ein Risiko, das sich in dem erhöhten Zinssatz widerspiegelt. Der Zinssatz für das Projekt auf Langeoog beträgt vier Prozent pro Jahr. Frühzeichnern gewährten wir in den ersten vier Wochen 0,3 Prozent zusätzlich. Die Laufzeit beträgt sechs Jahre. Das Darlehen wird nach Ende der Laufzeit in einer Summe zurückgezahlt.
Steuerrechtlich ist ein Darlehen über Crowdfunding wie ein normales Darlehen von der Bank zu behandeln. Die Zinszahlungen stehen in unseren Büchern als Aufwand. Der Darlehensgeber muss als natürliche Personen Kapitalertragssteuer abführen. Aus Gründen der Compliance und der hohen rechtlichen Komplexität haben eine Anwaltskanzlei und unser Steuerberater das Vertragswerk geprüft. Nachdem Plattform, Projekt und die Sammelsumme feststanden, entstand ein Projektteam, das in wöchentlichen Meetings die Kampagne engmaschig vorbereitete und begleitete. Dabei stand neben dem Finanziellen auch die Kommunikation im Vordergrund. Crowdfunding hat nichts mit Spenden zu tun. Die Menschen investieren ihr Geld, um es mit Zinsen zurückzuerhalten. Durch eine Pacht für das Objekt ergibt sich ein Cashflow, aus dem wir die Zinszahlungen bedienen. Wir haben die AWO LangeoogKlinik als Bezirksverband langfristig an unsere Betriebsgesellschaft verpachtet. Aus der Pacht erwirtschaften wir den Cashflow, der der Verband für Zins und Tilgung nutzt.
Kommunikation spielt eine zentrale Rolle
Zudem müssen wir das Projekt vorstellen und potenzielle Investoren überzeugen. Hier ist es zentral, möglichst transparent zu kommunizieren. Wir haben dabei kommuniziert, was genau geplant, für welche Maßnahmen wir das Geld einsetzen und wer genau davon profitiert. Neben dem Investorenpool, den wir durch die Zusammenarbeit mit einer Plattform ansprechen, ist es wichtig weitere Zielgruppen zu identifizieren, die Interesse an einer Investition haben könnten. Im Anschluss haben wir die passenden Kanäle sowie eine geeignete Ansprache gewählt, um das Projekt zu bewerben. Das von uns gewählte Spektrum war breit und reichte von einer digitalen Infoveranstaltung, über Pressemeldungen bis hin zu Mailings und Social-Media-Content. Durch die Kommunikation an sich entsteht ein Mehrwert, der den jeweiligen Projekten zugutekommt. Der gesellschaftliche Impact, den wir durch das soziale Projekt schaffen, erreicht über das Crowdfunding neue Zielgruppen. Die Wahl einer so innovativen und modernen Finanzierung rückt zudem die öffentliche Wahrnehmung eines Wohlfahrtsverbands in ein neues Licht. Nach einigen Wochen und kontinuierlicher Kommunikation war es geschafft. Die Finanzierung des Therapiebades auf der LangeoogKlinik ist zustande gekommen. Was wir vom Projekt mitgenommen haben, ist, dass Crowdfunding Flexibilität bietet, Möglichkeiten eröffnet und auch als Instrument für Öffentlichkeitsarbeit dient. Und es ist ein bürgernahes Finanzierungsmodell, das zur Demokratisierung wirtschaftlicher und sozialer Projekte beiträgt. Eine Crowdfunding-Kampagne ist jedoch kein Selbstläufer. Sie bedarf einer engmaschigen Betreuung und eines stabilen Kommunikationsplans.

