
Schutzkonzepte
Kurzinformation
Träger: AWO Bundesverband
Zeitraum: dauerhaft
Arbeitsfeld: Schutzkonzepte gegen Gewalt an Kindern und Jugendlichen
Zielgruppe: AWO-Einrichtungen und Träger, deren Angebote sich an Kinder und Jugendliche richten
Die AWO hat sich verpflichtet, in all ihren an Kinder und Jugendliche gerichteten Angeboten und Einrichtungen Schutzkonzepte gegen Gewalt zu implementieren. Der Bundesverband unterstützt die Einrichtungen und Träger dabei, diese Konzepte zu erstellen, zu überprüfen und weiterzuentwickeln.
Kontakt
Weitere Informationen
„Schutzkonzepte sind ein Zusammenspiel aus institutionellen und pädagogischen Maßnahmen sowie einer Kultur des Respekts und der Wertschätzung gegenüber Kindern und Jugendlichen. Sie umfassen Handlungspläne sowie konzeptionelle Elemente und basieren auf einem partizipativen und prozessorientierten Grundverständnis von Prävention und Intervention. Schutzkonzepte gehen damit über einzelne und isolierte Präventionsmaßnahmen hinaus und nehmen die Einrichtung sowohl als ‚Schutzraum‘ (kein Tatort werden) als auch als ‚Kompetenzort‘, an dem Kinder Hilfe erhalten, die an anderer Stelle sexualisierte Gewalt erfahren, in den Blick.“
So heißt es in der Vereinbarung zwischen dem AWO Bundesverband e. V. und dem UBSKM von 2016. Folgende Bedingungen sind dabei relevant, die ein trägereigenes Konzept u. a. zu erfüllen hat:
• Analyse der spezifischen Risiken und Risikofaktoren
• Entwicklung eines gemeinsamen Verhaltenskodex für eine grenzachtenden Umgang mit Kindern und Jugendlichen
• Setzung institutioneller Standards (z. B. bei Führungszeugnissen, verhaltensbezogenen Dienstanweisungen, Zusatzklausel zu Arbeitsverträgen) sowie prozessualer Standards (Informationspflichten innerhalb der hierarchischen Ebenen, Umgang mit Medien etc.)
• Erstellung eines Handlungsplans zur Intervention
• Bereitstellung von Informationen für Kinder und Jugendliche über ihr Recht auf Achtung der persönlichen Grenzen
• Erstellung konkreter Präventionsangebote in regelmäßigen Abständen
• Aufklärung der Eltern über Formen sexualisierter Gewalt, Strategien von Täter*innen
• Durchführung von Informationsveranstaltungen und Fortbildungen für Mitarbeiter*innen
• Hilfsangebote für von falschem Verdacht betroffene Personen aufzeigen
• Informationen über Beteiligungs-, Beschwerderechte sowie -möglichkeiten zusammenstellen
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt ist dabei nicht nur als das Abarbeiten von einzelnen Maßnahmen zu verstehen, sondern sollte ein gelebter Alltag sein, also Teil der präventiven Einrichtungskultur, einer allgemeinen Kultur des Respekts und der Wertschätzung gegenüber Kindern, Jugendlichen und Familien sowie unter Kolleginnen und Kollegen.
Warum ein Haus?
In der AWO-Handreichung dient ein Haus als Sinnbild für die Bestandteile eines Schutzkonzepts. Die einzelnen Teile eines Hauses, zum Beispiel seine tragenden Wände, mit denen das Haus Stabilität gewährleistet, ergeben zusammen einen sicheren Ort, an dem Kinder und Jugendliche sich geschützt aufhalten können. Ein Haus wird über einen längeren Zeitraum hinweg gebaut, und auch wenn es schon fertig ist, fallen immer wieder Reparaturen an. Genauso ist ein Schutzkonzept zu betrachten: Es ist ein Organisationsentwicklungsprozess, der aus verschiedenen Bestandteilen besteht und in einem großen Ganzen einen sicheren Ort bilden soll. Eine detaillierte Darstellung der Bestandteile befindet sich in der Handreichung im Downloadbereich.
Das Fundament
Wie das Fundament eines Gebäudes die tragende Basis für ein sicheres und beständiges Bauwerk bietet, sorgt das Fundament unseres Hauses dafür, dass das Schutzkonzept Struktur, Halt und Stabilität gewährleistet. Als Bestandteile des Fundaments eines Gewaltschutzkonzepts sind die rechtlichen Grundlagen, das Qualitätsmanagement sowie die Selbstverpflichtung der AWO, das Leitbild und die Haltung der Einrichtung zu betrachten, die in der Handreichung detailliert beschrieben werden.
Der Eingang: Bestandsaufnahme
Eine Bestandsaufnahme steht idealtypisch am Anfang eines kontinuierlichen Qualitätsentwicklungsprozesses und stellt die zentrale Grundlage für die Befassung mit dem Gewaltschutz und die Basis für ein Schutzkonzept dar. Deshalb stellt die Bestandsaufnahme – oder auch Risiko- und Potenzialanalyse – in unserer Haus-Metapher den Eingang dar.
Die Tür: Wer kommt hinein?
Bei der Entwicklung des Schutzkonzeptes sollte im Anschluss an die Bestandsaufnahme evaluiert werden, wer durch die Tür der Einrichtung hereinkommt. Auf welche Zielgruppe(n) ist die Einrichtung oder das Angebot ausgerichtet? Wer besucht die Einrichtung oder das Angebot, also z. B. Kinder, Jugendliche, Sorgeberechtigte, Eltern, Externe etc.? Wer arbeitet in der Einrichtung, wer gestaltet die Angebote (hauptamtlich und ehrenamtlich Tätige, Erwachsene, Minderjährige)? Die Beschäftigung mit diesen grundlegenden Fragen ist ausschlaggebend, um spezifische Gefährdungslagen und Bedürfnisse zu identifizieren und zu bearbeiten. Weitere zu beachtende Aspekte sind z. B. das Alter der Kinder und Jugendlichen, die Lebenslagen, Behinderungen/Beeinträchtigungen, Flucht- oder Migrationshintergründe, Geschlecht und Sexualität.
Die tragenden Wände: Partizipation und Prävention
So wie die tragenden Wände ein Gebäude stützen, so sorgt Partizipation dafür, dass das gesamte „Haus“ – das Schutzkonzept – gefestigt wird und stabil bleibt. Je mehr Partizipation stattfindet, desto stabiler wird das Haus.
Auch Prävention ist im Rahmen des Kinderschutzes eine tragende Wand. Prävention zielt darauf ab, Risiken für Kinder und Jugendliche zu minimieren und deren Wohlbefinden, Selbstwahrnehmung und -bewusstsein zu fördern sowie die Einrichtung an sich zu einem sicheren Ort zu machen. Prävention ist demnach nicht nur eine Schutzmaßnahme, sondern schließt die Schaffung positiver und sicherer Organisationskulturen ein. Ein Schutzkonzept umfasst mehrere präventive Maßnahmen, die in verschiedenen Bereichen umgesetzt werden können. Dazu zählen die Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die Schulung von Mitarbeitenden, Wissen über (Kinder)Rechte sowie Eltern-/Familienarbeit. Das Spannungsfeld der präventiven Ansätze im Spezifischen und des Schutzkonzepts im Allgemeinen besteht darin, über die bloße Logik der Gefahrenabwehr hinauszugehen und eine gewaltpräventive Einrichtungskultur zu schaffen.
Das Fenster: Information und Bildung
Ein Fenster – im vorliegenden Haus-Modell – bietet die Möglichkeit zu neuen Sichtweisen im Sinne von Perspektivwechsel. Durch regelmäßige Fort- und Weiterbildungen werden Mitarbeitende für die Bedeutung von Gewalt und den Umgang mit Gewaltformen sensibilisiert oder erhalten neue Wissensinhalte, z.B. im Bereich digitaler Gewalt.
Sexuelle Bildung: Ein umfassendes Konzept zur sexuellen Bildung ist Teil der Professionalisierung der pädagogischen Praxis und dient zudem dem Schutz vor sexuellen Übergriffen. Es stellt somit einen wichtigen Baustein im Rahmen eines Schutzkonzeptes und des pädagogischen Alltags dar. Sexuelle Bildung ist ein Element des lebenslangen, selbstbestimmten Lernens.
Medienbildung: Digitale Medien bieten nicht nur Möglichkeiten für Spaß, Vernetzung und Bildung, sondern sie bergen auch Gefahren und Risiken. Digitale physische oder sexualisierte Gewalt, wie sexuelle Belästigung, Hate Speech, Cybermobbing oder Cyberstalking, stellen für Kinder und Jugendliche, ihre Familien, Fachkräfte und für den pädagogischen Alltag eine erhebliche Herausforderung dar. Kinder und Jugendliche können in den digitalen Medien unangemessenen Inhalten ausgesetzt werden, sie können in Foren, Chats oder sozialen Netzwerken beleidigt, belästigt oder bloßgestellt werden. Zudem besteht das Risiko der Kontaktanbahnung mit sexuellen oder anderen negativen Absichten, was als Grooming bekannt ist und bis zu sexuellen Übergriffen im nicht-digitalen Raum führen kann In einem Gewaltschutzkonzept müssen digitalen Gefahren Berücksichtigung finden. Gleichzeitig darf der Schutz vor digitaler Gewalt nicht dazu führen, dass Kinder von wichtigen digitalen Angeboten ausgeschlossen werden.
Weitere Bestandteile eines Schutzkonzepts
Verhaltenskodex: In einem Verhaltenskodex zum institutionellen Handeln werden fachlich angemessene Verhaltensweisen im Umgang mit Kindern, Jugendlichen und Familien festgeschrieben bzw. verbotene Umgangsweisen aufgelistet. Diese Verhaltensregeln dienen den Mitarbeiter*innen als Orientierung und erhöhen die Handlungssicherheit. Ein Verhaltenskodex ist ein bewährtes Mittel zur Prävention von Machtmissbrauch und Übergriffen gegenüber Kindern oder Jugendlichen.
Personalauswahl: Ein Ziel der Personalauswahl muss es sein, potenzielle Täter*innen von der Arbeit mit Minderjährigen bei der AWO fernzuhalten. Daher sind Methoden und Verfahren im Schutzkonzept festzulegen, um mögliche Gefährdungen durch potenzielle Mitarbeiter* innen auszuschließen (Prinzip des Aussiebens und Abschreckens).
Beschwerdeverfahren: Im Rahmen eines Schutzkonzepts müssen klare Strukturen und Verfahren für den Umgang mit grenzüberschreitenden Handlungen und Verdachtsmomenten etabliert sein. Eine Einrichtung muss sicherstellen, dass es für betroffene Kinder und Jugendliche sowie für alle Mitarbeitenden, die solche Vorfälle beobachten oder vermuten, die Möglichkeit gibt, niedrigschwellig oder barrierearm Beschwerden oder Meldungen in einem geschützten Rahmen einzureichen.
Intervention: Sobald es zu einem Fall von Gewalt oder zu einem Verdachtsfall kommt, benötigen die Mitarbeitenden Handlungssicherheit. Um Sicherheit und Klarheit im Umgang mit einem Vorfall oder Verdachtsfall zu erlangen, müssen eindeutige Verfahren und entsprechende Pläne vorhanden sein. Diese Verfahrensleitlinien müssen allen verantwortlichen Arbeitskräften bekannt sein.
Aufarbeitung und Rehabilitation: Jeder Verdacht ist ernst zu nehmen, jedem Verdacht muss nachgegangen werden – sollte er noch so vage sein. Auch bei einem unbegründeten Verdacht sollten Träger und Führungskräfte die Fürsorgepflicht wahrnehmen und diese insbesondere gegenüber allen beteiligten Personen vertreten.
Das Dach: Schutzschirm für das Schutzkonzept
Wie bei dem Dach eines Hauses muss regelmäßig überprüft werden, ob das Schutzkonzept den aktuellen Anforderungen genügt, die verschiedenen Bestandteile des Hauses zusammenhält und deren „Bewohner*innen“ ausreichend schützt. Ein fertig formuliertes Schutzkonzept darf jedoch nicht in der Schublade verschwinden, in der Hoffnung, es nie gebrauchen zu müssen. Ein Dach muss vielmehr gepflegt, renoviert oder auch saniert werden: Das Schutzkonzept ist keine einmalige Arbeitsaufgabe, sondern sollte in einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess eingebunden werden.
Der AWO Bundesverband schloss in den Jahren 2012 und 2016 mit dem UBSKM Vereinbarungen ab und bekräftigte darin, passgenaue Schutzkonzepte in allen Einrichtungen zu implementieren, in denen haupt-, neben- und ehrenamtlich mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird. Darüber hinaus hielt die AWO in mehreren Vereinbarungen, Beschlüssen und Selbstverpflichtungen fest, Schutzkonzepte zu verstetigen. Schutzkonzepte wurden deshalb in das Qualitätsmanagementsystem integriert. Kinderschutz ist zudem ein Bestandteil des Grundsatzprogramms der AWO. Die Vereinbarung mit dem UBSKM stärkt diese Verpflichtung und die institutionelle Verantwortung.
Die Publikation „Sichere Orte für Kinder und Jugendliche – AWO-Handreichung zu Schutzkonzepten gegen Gewalt“ ist eine Arbeitshilfe für alle AWO-Akteurinnen und Akteure in der Praxis, die ein Schutzkonzept erarbeiten oder ihr bestehendes überprüfen wollen. Sie ist eine Erneuerung der AWO-Handreichung „Schutzkonzepte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen“. In der aktualisierten Fassung werden neue rechtliche Entwicklungen aufgegriffen, alle Gewaltformen mit einbezogen sowie arbeitsfeldbezogene Besonderheiten herausgestellt. Die vollständige Arbeitshilfe kann unten auf dieser Seite heruntergeladen werden.

Grafik: © Inga Kramer, www.ingakramer.de
In der Broschüre zum Thema „Was ist ein Schutzkonzept“ wird in Leichter Sprache die Bedeutung von Schutzkonzepten dargestellt. Mit Leichter Sprache können Menschen mit eingeschränktem Sprachverständnis komplizierte Sachverhalte leichter verstehen. Sätze sind kurz formuliert und es gibt keine Fremdwörter. Zusätzlich illustrieren einfache Grafiken den Inhalt des Textes. Die Broschüre kann unten auf dieser Seite heruntergeladen werden.

Grafik: © Inga Kramer, www.ingakramer.de
Schutzkonzepte in AWO-Arbeitsfeldern
Schutz vor Gewalt muss überall da gewährleistet sein, wo sich Kinder und Jugendliche aufhalten. Bei der AWO gibt es viele verschiedene Arbeitsfelder, die alle rechtlich, pädagogisch und organisational unterschiedlich gestaltet sind. Deshalb müssen die Spezifika jedes Arbeitsfeldes in die Erstellung eines Schutzkonzepts mit einbezogen werden. Dazu zählen zum Beispiel:
- Kindertagesbetreuung
- Hilfen zur Erziehung (ambulant, stationär und teilstationär)
- Ganzstagsangebote
- Offene Kinder- und Jugendarbeit
- Ferienfahrten
- Freiwilligendienste
- Erziehungsberatungsstellen
Die Besonderheiten sowie Praxisbeispiele für Schutzkonzepte in den jeweiligen Arbeitsfeldern werden in der AWO-Handreichung ausgeführt.
Praxisbeispiele aus der AWO
Viele AWO-Gliederungen haben sich bereits auf den Weg gemacht, arbeitsfeldspezifische Konzepte zu erstellen:
- AWO Saarland: Kinderschutz in den Hilfen zur Erziehung
- AWO Weser-Ems: Schutzkonzept für Familienberatungstellen
- AWO Hessen-Süd: Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt in Seminaren der Freiwilligendienste
- Bundesjugendwerk der AWO: Jederzeit Wieder! Qualität der pädagogischen Ferienfahrten
- AWO NRW: Schutzkonzept für die Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit
- AWO Mittelrhein: Schutzkonzept für Offene Ganztagsschulen
Materialien zum Download
-
Handreichung
Sichere Orte für Kinder und Jugendliche – AWO-Handreichung zu Schutzkonzepten gegen Gewalt (Dezember 2024)
-
Broschüre in Leichter Sprache
Plan für mehr Schutz gegen Gewalt bei der AWO – Schutzkonzepte gegen Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Leichter Sprache (Dezember 2023)
-
Handreichung
Schutzkonzepte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und Diensten (Dezember 2019)