Zahl der Hitzetoten steigt: Quartiere und Einrichtungen müssen hitzefest werden
Im Juli 2022 sind laut statistischem Bundesamt 12% mehr Menschen in Deutschland verstorben als in Vergleichsmonaten der vorhergehenden Jahre. Die Ursache sieht das Amt vor allem in den sich häufenden Hitzewellen. Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt warnt vor dem neuen Gesundheitsrisiko für vorerkrankte und alte Menschen – und fordert schnelles Gegensteuern von der Politik. Die AWO selbst macht bereits mit „Hitzeschutznetzwerken“ und Gebäude-Klimaanpassungen Quartiere und Einrichtungen hitzefest.
„Deutschland ist bisher nicht ausreichend auf Hitze vorbereitet und bietet vulnerablen Gruppen unzureichend Schutz“, so Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes, „Wir mahnen daher dringend an, dass die Bundesregierung den Ernst der Lage anerkennt und sich dem Thema widmet. Es mangelt an bundesweiten Koordinierungsstellen und Hitzeschutzplänen auf Landes- und kommunaler Ebene. Wir sind auf das, was auf uns zukommt, schlicht nicht vorbereitet. Dabei ist eine systematische und flächendeckende Umsetzung unter Einbezug von Akteur*innen des Gesundheitswesens unbedingt notwendig.“
Von Hitzefolgen besonders betroffen sind ältere und kranke Menschen: Hitze kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz und Depression, Lungen- und Nierenkrankheiten genauso verschlimmern wie Multiple Sklerose. Auch Personen mit geringem Einkommen sind besonders stark von extremer Hitze betroffen: Sie leben oft in Quartieren mit wenig Grünflächen und viel Beton, wo sich die Luft besonders aufheizt und nachts kaum abkühlt. Für Wohnungslose gibt es kaum Rückzugsorte und schlechten Zugang zu Trinkwasser.
Die AWO hat sich deshalb des Themas angenommen und kooperiert unter anderem mit KLUG (Deutsche Allianz Klimawandel). Im Zuge der Kooperation wird Hitzeschutz ganzheitlich und kommunal gedacht und umgesetzt. Das langfristige Ziel ist der Aufbau funktionierender lokaler Strukturen und Akutmaßnahmenpläne in Verbindung mit dem Katastrophenschutz. So müssen bereits vor einer Hitzewelle gefährdete Personen identifiziert sein. Behörden, der Katastrophenschutz und Akteur*innen des Gesundheitswesens, wie z.B. Pflegepersonal müssen wissen, wie es welche Personen ab welcher Hitzebelastung zu schützen gilt. Das reicht von Medikamentenanpassung bis zur Evakuierung. Die AWO kann mit ihren vorhandenen Strukturen dabei helfen, ein lokales Hitzeschutznetzwerk aufzubauen und Mitarbeiter*innen zu schulen, um auf den Ernstfall vorbereitet zu sein. So ein Netzwerk wird dann nicht nur den Bewohner*innen von AWO-Einrichtungen, sondern auch Menschen aus dem Quartier zugutekommen.
Wie das geht, zeigt das Beispiel Berlin. Das neue „Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin“, initiiert durch die Ärztekammer Berlin, KLUG und die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung, hat gemeinsam mit vielen Akteur*innen des Gesundheitswesens, u. a. dem AWO Landesverband Berlin, Hitzeschutzpläne für das Land Berlin erarbeitet. Damit nimmt Berlin eine Vorreiterrolle ein, denn bisher gibt es keine Großstadt und kein Bundesland in Deutschland, wo Gesundheitsakteur*innen eine zentrale Rolle in der Erstellung und Umsetzung von Hitzeschutzplänen bei extremer Hitze übernehmen.
„Das ist aber nur ein Punkt auf einer bedeutsamen To-Do-Liste“, so Döcker, „Geschulte Mitarbeitende und Hitzeschutznetzwerke sind wichtig. Aber wir müssen noch viel grundsätzlichere Maßnahmen umsetzen und zuallererst Gebäude kühl halten und an die neuen Bedingungen anpassen. In der Regelfinanzierung sind solche Umbauten aber nicht vorgesehen, ganz besonders nicht in Einrichtungen, die in den 60er Jahren gebaut wurden und sich jetzt aufheizen wie Öfen. Das ist den oftmals vorbelasteten Bewohner*innen genau so wenig zuzumuten wie den Mitarbeitenden.“
U. a. mit Hilfe des Förderprogrammes „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ werden deshalb aktuell technische und bauliche Anpassungen in den Einrichtungen und Diensten der AWO umgesetzt. Viele Einrichtungen können die dringend nötigen Hitzeschutzmaßnahmen nicht aus eigener Kraft stemmen und müssen auf ihre Bescheide oder die zweite Förderrunde warten. Döcker abschließend: „Leider ist die sinnvolle und stark nachgefragte Förderung zwar entfristet worden, aber finanziell stark gedeckelt. Davon werden also nur wenige Einrichtungen profitieren. Das Programm muss aufgestockt werden. Nur so kann dringend notwendiger Hitzeschutz in sozialen Einrichtungen flächendeckend und zeitnah gelingen.“