Bei Strukturreformen an Kinder und Jugendliche denken

Zivilgesellschaftliches Bündnis fordert mehr Investitionen in soziale Infrastruktur für Familien
Angesichts der laufenden Verhandlungen zum Bundeshaushalt und zum neuen Sondervermögen fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis die Bundesregierung auf, mit umfassenden Strukturreformen die soziale Infrastruktur für Kinder und Familien massiv zu stärken. „Investitionen in Kinder und Jugendliche sind Investitionen in Wohlstand und Demokratie“, erklärt der Ratschlag Kinderarmut, ein Zusammenschluss aus 49 Organisationen und drei Wissenschaftler*innen, in einem gemeinsamen Appell.
In Deutschland entscheiden die soziale Herkunft und der Wohnort maßgeblich über Teilhabemöglichkeiten und Zukunftschancen. Familien und Kinder, die in Armut leben, sind mit vielfältigen Benachteiligungen konfrontiert. „Wirtschaft und Gesellschaft können jedoch ihr volles Potential nicht entfalten, wenn einem Teil der Kinder und Jugendlichen keine echte Chance auf Entwicklung gegeben wird“, erklärt das Bündnis.
Dazu erklärt AWO-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner: „Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung endlich das nötige Geld in die Hand nimmt und der Kinder- und Jugendarmut den Kampf ansagt.
Statt die Zukunft der jungen Generation kaputtzusparen, müssen jetzt schnellstmöglich die Sozial- und Bildungsetats ertüchtigt werden. Neben armutsfesten Sozialleistungen braucht es umfassende Investitionen in die soziale Infrastruktur. Die Kinder- und Jugendhilfe muss im laufenden Gesetzgebungsverfahren als Förderziel des Sondervermögens explizit benannt werden. Die nötigen Milliarden für eine Infrastrukturoffensive und eine bessere finanzielle Unterstützung von Familien mit kleinen Einkommen könnte die neue Bundesregierung durch eine Absenkung der Kinderfreibeträge einspielen und dadurch en passant auch noch der Privilegierung reicher Familien ein Ende setzen.“
Denn: In Armut lebende Kinder und Familien sind besonders auf eine funktionierende soziale Infrastruktur angewiesen, die Ungleichheiten kompensiert und die Weichen für ein selbstbestimmtes Leben ohne Armut stellen kann. Niedrigschwellige Unterstützungs-, Beratungs- und Freizeitangebote, Förder- und Sprachunterricht, eine ausreichende Kinderbetreuung, ein Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr oder die Nähe zu einem Sportverein – all diese Möglichkeiten können Biografien prägen. Aktuell wird die soziale Infrastruktur in Deutschland den Bedarfen nicht gerecht. Und auch das „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaschutz”, dessen erster Wirtschaftsplan am Dienstag im Kabinett beschlossen wurde, sieht zunächst keine Mittel für die Kinder- und Jugendhilfe vor: Zwar sind darin Investitionsprogramme für Bildung und Betreuung vorgesehen – aber im laufenden Jahr sollen noch keine Fördermittel vergeben werden.
Die Liste der Probleme ist lang und reicht von fehlenden Fachkräften über unzuverlässige Betreuungszeiten bis hin zu maroden Schultoiletten. Die 49 unterzeichnenden Organisationen des Appells fordern daher die Bundesregierung auf: „Nehmen Sie Geld für die soziale Infrastruktur in die Hand, damit Kinder und Jugendliche nicht ihrer Chancen beraubt werden!“ Notwendig ist eine breite Palette an Maßnahmen, darunter eine bedarfsgerechte Finanzierung der frühkindlichen Bildung, mehr Investitionen in die Qualität von Kitas, der Aufbau einer Förderkulisse für die energetische Sanierung und Modernisierung von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Haushaltsmittel für den Kampf gegen Kinderarmut und ein kostenloses Mittagessen für benachteiligte Kinder und Jugendliche in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen.
Bund, Länder und Kommunen müssen an einem Strang ziehen und zusätzliche Finanzspielräume schaffen, damit die soziale Infrastruktur massiv gestärkt werden kann. Diese Investitionen für Kinder und ihre Familien werden sich langfristig auszahlen, denn sie führen zu weniger Armut, mehr Wachstum und mehr gesellschaftlichem Zusammenhalt.
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Appell des Ratschlags Kinderarmut
Investitionen in Kinder und Jugendliche sind Investitionen in Wohlstand und Demokratie
Weitere Infos zur Studie „Wer profitiert vom Steuerfreibetrag für Bildung, Erziehung und Ausbildung?“ des DIW in Auftrag der AWO finden Sie hier.