"Warum es sich mehrfach lohnt, in frühkindliche Bildung zu investieren"
Das Bündnis aus AWO, GEW und KTK-Bundesverband setzt sich weiterhin für bundesweite Qualitätsstandards in der Kindertagesbetreuung ein
Das Bündnis Bundesqualitätsgesetz, bestehend aus AWO Bundesverband, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und dem KTK-Bundesverband hat am 12.10.2023 zum Dialog-Workshop geladen. Fast 50 Interessierte aus dem Arbeitsfeld kamen zusammen und miteinander ins Gespräch.
Angesichts der geplanten Haushaltskürzungen, die sich in diversen Kürzungen bei sozialpolitischen Programmen und Vorhaben widerspiegeln und auch den frühkindlichen Bildungsbereich betreffen, stand der Workshop unter dem Thema „Warum sich Investionen in Frühkindliche Bildung lohnen.“
Dialog-Workshop 2023
Ein Überblick über den Dialog-Workshop
Zu Beginn der Veranstaltung blickte Paul Nowicki vom KTK-Bundesverband auf zehn Jahre gemeinsame Arbeit im Bündnis zurück. Den beherzten und visionären Schritten des damaligen Gründerkreises ist das erste Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (Gute-KiTa-Gesetz) auf Bundesebene mit zu verdanken. Dieses fand 2023 mit dem zweiten Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung (KiTa-Qualitätsgesetz) eine Nachfolge. Da die geforderten Qualitätsstandards in diesem Gesetz aber noch nicht umfänglich beschrieben sind, arbeitet das Bündnis weiter. Das Bündnis setzt sich für die Umsetzung der „Big 5“ in einem guten Qualitätsentwicklungsgesetz ein: Fachkraft-Kind-Schlüssel, mittelbare pädagogische Arbeit, Fort- und Weiterbildung, Leitungsfreistellung und Fachberatung. Frühkindliche Bildung muss zum „Prio 1-Thema auf Bundesebene“ werden.
Impulse aus der Wissenschaft, des Ministeriums und der Wirtschaft
Anschließend fokussierte Dr. Christiane Meiner-Teubner (TU Dortmund) in ihrem Vortrag die quantitativen und qualitativen Entwicklungen in der Frühkindlichen Bildung und Betreuung in den vergangenen zehn Jahren. Trotz Steigerungen beim Personal und Betreuungsplätzen, kann der bestehende Rechtsanspruch aber immer noch nicht flächendeckend realisiert werden. Gravierende bis gegenläufige Tendenzen sind zwischen Ost- und Westdeutschland festzuhalten, die eine regionalspezifische Betrachtung erfordern.
Sehr erfreut ist das Bündnis darüber, dass auch die Perspektive eines Wirtschaftsverbandes in die Debatte um Frühkindliche Bildung eingebracht werden kann und Dr. Donate Kluxen-Pyta, stellvertretende Leitung der Abteilung Bildung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) für den Dialog-Workshop gewonnen werden konnte. Dr. Kluxen-Pyta hob in ihrem Vortrag die Bedeutung der Frühkindlichen Bildung für die Mitgliedsunternehmen der BDA hervor.
Dr. Kluxen-Pyta spricht sich für einen massiven Platzausbau aus, wobei die Qualität der Betreuung und Bildung konsequent mitzudenken ist. Dabei betrachtet die BDA die Frühkindliche Bildung als gesetztes und selbstverständliches Thema. Sprachliche und kognitive Entwicklungen der Kinder, aber auch die Wahrnehmung individueller Förderbedarfe ermöglichen Teilhabe an der Gesellschaft und letztlich auch an der Arbeitswelt.
Die Perspektive des BMFSFJ wurde anschließend von Claudia Fligge-Hoffjann vorgestellt. Mit dem derzeitigen KiTa-Qualitätsgesetz von 2023 lässt sich eine stärkere Priorisierung der vorrangigen Handlungsfelder im Gesetz festhalten und mit Blick auf das geplante Qualitätsentwicklungsgesetz wird die Bedeutung einer verbesserten Betreuungsrelation, der Sprachförderung und eines bedarfsgerechten Ganztagsangebots hervorgehoben. Das Qualitätsentwicklungsgesetz ist ab 2025 geplant, wobei konkrete bundesweite Qualitätsstandards sukzessive Umsetzung finden sollen.
Eine bedarfsorientierte und vor allem qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung macht bereits kurzfristig ökonomisch, sozial und gesellschaftlich einen Unterschied.
Prof. Dr. Gundula Zoch
Vortrag: „Warum es sich mehrfach lohnt, in frühkindliche Bildung zu investieren.“
Eine neue Perspektive auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung von Frühkindlicher Bildung konnte mit dem Vortrag von Prof. Dr. Zoch gelegt werden.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Frauen zunehmender erwerbstätig und arbeitssuchend sind und auch nach der Geburt eines Kindes wieder schneller mit höheren Stundenumfängen in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Gleichwohl liegen nach wie vor große Unterschiede in den Beschäftigungsumfängen zwischen Müttern und Vätern vor – mehr Mütter arbeiten in Teilzeit. Als einer der Hauptgründe für die geringeren Umfänge führen fast die Hälfte aller Mütter persönliche oder familiäre Gründe an – und damit vor allem die eingeschränkte Verfügbarkeit von (Ganztags-) Betreuungsplätzen mit hoher Qualität. Die Bedeutung von hoher Qualität in der Betreuung zeigt sich beispielsweise darin, dass Mütter mit U3-Kindern häufiger mit höheren Stundendeputaten in den Arbeitsmarkt zurückkehren, wenn regional kleinere Gruppengrößen in den Einrichtungen angeboten werden (können).
Die aktuellen Rahmenbedingungen erweisen sich derzeit also nicht überall als ausreichend, um sowohl den Kindern Teilhabe an Bildung und Betreuung zukommen zu lassen als auch den Familien bzw. Müttern die Möglichkeiten für (mehr) Erwerbstätigkeit geben zu können.
Eine Vielzahl von aktuellen Herausforderungen hindert explizit Mütter an einer vollzeitnahen Beschäftigung – z. B. die Unzuverlässigkeit und verkürzte Öffnungszeiten durch den aktuellen Personalschlüssel und die zu geringe finanzielle Ausstattung für ausreichende Personalschlüssel. All das führt zu einer sehr hohen Belastung der Eltern und damit zur Arbeitszeitreduktion, stark geschlechterspezifischen Rollenaufteilungen und langfristig zu sinkenden Anreizen für vollzeitnahe Beschäftigungsverhältnisse von Frauen.
Die Vereinbarkeitskonflikte führten in den letzten dreißig Jahren in Ost wie West zur Reduktion der Arbeitsstunden von Müttern über alle Berufsklassifikationen hinweg und schlagen sich in einem ausgeprägten Gender Pay bzw. Pension Gaps sowie in deutlich weniger beruflicher Weiterqualifizierung von Frauen im Vergleich zu Männern nieder. Zudem ist eine deutliche Abnahme der Lebenszufriedenheit von Müttern erkennbar –in Krisenzeiten und in Übergangssituationen zu Vollzeiterwerbstätigkeiten.
Die Verfügbarkeit von Ganztagsbetreuung ermöglicht hingegen Vollzeiterwerbstätigkeit, welche mit höherer Zufriedenheit einhergeht und besonderes von Relevanz für Alleinerziehende ist. Bedarfsorientierte und vor allem qualitativ hochwertige Frühkindliche Bildung macht bereits kurzfristig ökonomisch, sozial und gesellschaftlich einen Unterschied, so Zochs Fazit.
Podiumsdiskussion
Podiumsdiskussion beim Dialog-Workshop 2023 zur Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung, mit sechs Teilnehmenden, die an Stehtischen stehen und sprechen. Im Hintergrund ist eine Präsentationsfolie zu sehen.
Zur anschließenden Podiumsdiskussion unter der Moderation von Alexander Nöhring, AWO Bundesverband, sind die familienpolitischen Sprecher*innen und Vertreter*innen der Bundestagsfraktionen der Einladung des Bündnisses gefolgt: Heidi Reichinnek (Die Linken), Silvia Breher (CDU), Nina Stahr (Bündnis 90/Die Grünen), Erik von Malottki (SPD) und Matthias Seestern-Pauly (FDP).
Die Bundestagsabgeordneten stellten ihre Positionen zur Frühkindlichen Bildung und ihre Ansprüche an ein Qualitätsentwicklungsgesetz vor und gingen mit Alexander Nöhring und den Teilnehmer*innen in den Austausch.
Konsens bestand darin, dass die Frühkindliche Bildung stärker in den Fokus der Bundespolitik gerückt werden und dass es zu deutlichen finanziellen Verbesserungen im System kommen muss. Ebenso klar formulierten die Abgeordneten die hohe Bedeutung der Frühkindlichen Bildung für Kinder, Familien, Arbeitswelt und Gesellschaft und forderten eine zielgerichtete Zusammenarbeit von Bund und Ländern, um den Aufgaben der nächsten Jahre gerecht werden zu können. Bedauern äußerten alle über die Teilnahmeabsagen der Finanzpolitischen Sprecher*innen der Fraktionen an der Podiumsdiskussion.
Tagesresümee
Doreen Siebernik von der GEW zog das Tagesresümee und entließ die Teilnehmenden mit dem Versprechen, als Bündnis weiter für bundeseinheitliche Qualitätsstandards in der Frühkindlichen Bildung zu stehen und zu arbeiten – gemeinsam und mit neuen Allianzen aus Wissenschaft und Wirtschaft.
Dialog-Workshop am 12.10.2023
Über das Bündnis
Das Bündnis Bundesqualitätsgesetz setzt sich aus dem Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und dem Bundesverband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) zusammen. Gemeinsam engagiert sich es sich seit über 10 Jahren für verbindliche Qualitätsverbesserungen in der frühkindlichen Bildung. Seit 2013 finden regelmäßige Dialog-Workshops mit Expert*innen aus Politik, Wissenschaft, Verbänden, Gewerkschaften und der Praxis statt.