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Von: Wolfgang Barth
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ (Martin Niemöller)
Nie wieder Faschismus: eine unerschütterliche Grundüberzeugung
Verfolgung und Vernichtung in der Zeit des Nationalsozialismus, der Völkermord an den Juden und an den Roma und Sinti haben sich fest in das kollektive Gedächtnis der AWO eingeschrieben. Die Überzeugung, dass nie wieder Faschismus herrschen und nie wieder Krieg von Deutschland ausgehen darf, gehört zweifellos zu den unerschütterlichen Grundüberzeugungen von Mitarbeiterinnen und Mitgliedern der AWO.
Der Rassismus des Kolonialismus und des späteren Faschismus basierte auf den vermeintlichen biologischen Unterschieden zwischen den angeblichen Menschenrassen und der Einteilung in „primitive“ und „hochstehenden“ Rassen. Dieser Rassismus begründete und ermöglichte zunächst Kolonialisierung und Ausbeutung und später Vernichtung und Auslöschung.
Der neue Rassismus wird wieder salonfähig
Nach dem Holocaust und dem Porajmos ist der biologisch begründete Rassismus nicht mehr politikfähig. Wissenschaftlich zu halten ist er sowieso nicht. Die Biologie weiß längst, dass es keine menschlichen Rassen gibt. Der neue Rassismus ersetzt die nicht vorhandenen biologischen Unterschiede durch kulturelle und folgt ansonsten dem gleichen Mechanismus wie der alte Rassismus.
Der Rassist konstruiert also eine soziale Gruppe ( die Muslime/ die Homosexuellen/ die Obdachlosen/ die Alleinerziehenden / die Roma/ die Türken / [...] )und weist diesen vermeintlich unveränderliche Merkmale zu und setzt so darauf, dass die Differenzlinie zwischen DIE und WIR immer breiter wird.
Die konstruierte Differenz
DIE sind rückständig und archaisch <-> WIR sind fortschrittlich und modern
DIE sind ungebildet <-> WIR sind gebildet
DIE sind frauenverachtend <-> WIR sind gleichberechtigt
DIE sind NICHT-WIR <-> WIR sind NICHT-DIE
Weiter markiert der Rassist diese Merkmale als sozial unerwünscht und wertet sie ab. So kann er gesellschaftliche Ausgrenzung und Nicht-Dazugehörigkeit jederzeit begründen und hält dies auch für gerechtfertigt - bis hin zur Ausübung von Gewalt.
Mörderischer Rassismus
In Deutschland hat man sich nach den Erfahrungen des Faschismus lange schwer damit getan, Rassismus als Begriff und als gesellschaftlich wirkende Kraft anzuerkennen. Erst mit der Aufdeckung der zehn Morde durch den NSU hat sich die Erkenntnis langsam verbreitet, dass es in der Bundesrepublik so etwas wie Alltagsrassismus, institutionellen Rassismus und mörderischen Rassismus gibt.
Die AWO hat in einem langen Diskussionsprozess bei der Bundeskonferenz 2007 den Magdeburger Appell verabschiedet, der die Überwindung rassistischen Denkens und Handelns durch demokratische Teilhabe und Gerechtigkeit im Verband und in der AWO als sozialer Dienstleisterin anstrebt.
Grundlagen der antirassistischen Arbeit
In der Umsetzung dieser Beschlüsse gibt es zwei Erkenntnisse, die sich als grundlegend für antirassistische Arbeit erwiesen haben.
- Nur die vom Rassismus betroffenen Menschen haben die Definitionshoheit darüber, was sie als rassistisch wahrnehmen.
- Wer Inklusionsleistungen von Einwanderern fordert, darf zum Rassismus nicht schweigen.
Rassismus überwinden
Die Überwindung von Rassismus ist der Antrieb für mehr Gerechtigkeit und damit ein besseres Leben für alle. Eine antifaschistische Grundüberzeugung allein schützt nicht vor den Gefährdungen durch den neuen Rassismus. Es gilt, im Alltag immer wieder bewusst antirassistisch zu handeln. Die AWO bemüht sich darum, diesen Anspruch umzusetzen.
Viele AWO Einrichtungen und Gliederungen bemühen sich darum, Rassismus aktiv zu bekämpfen. Projekte in ganz Deutschland und eine Reihe von Hanreichungen zeigen die Vielfalt dieses Aktivismus.
"Die Aggression gegen Fremde verschiebt sich"
Mit der sogenannten Leipziger „Mitte“-Studie 2016 liegt nun die aktuelle Erhebung des seit 2002 alle zwei Jahre durchgeführte repräsentativen Umfrage vor. Demnach haben sich zwar klassisch rechtsextreme Einstellungen in Deutschland in den vergangenen Jahren kaum verändert. Gleichzeitig aber wächst die Abwertung von Asylbewerber*innen, Muslimen und Sinti und Roma. Ein Interview mit einem der Verantwortlichen der Studien, dem Soziologen und Sozialpsychologen Oliver Decker.
AWO gegen Rassismus
Es reicht nicht aus, sich öffentlich gegen Rassismus auszusprechen und zu glauben, man habe damit genug getan. Ebenso ist es unzureichend, Rassismus zu beklagen, ohne sich mit seinen Entstehungsfaktoren und Wirkungen zu beschäftigen. Und erst recht, ohne eine inhaltliche Auseinandersetzung zu suchen. Was also ist Rassismus eigentlich? Wo und wie tritt er auf und was hat er mit uns zu tun? Warum gibt es so wenige Möglichkeiten, sich sachlich und nüchtern mit Rassismus zu beschäftigen? Diese Broschüre enthält viele Bilder der Projekte und Aktivitäten, die die AWO bundesweit alljährlich zum Internationalen Tag gegen Rassismus auf die Beine stellt, um zu zeigen: nicht mit uns!
Miteinander gegen Hass, Diskriminierung und Ausgrenzung
Miteinander gegen Hass, Diskriminierung und Ausgrenzung. Eine Handreichung der Wohlfahrtsverbände zum Umgang mit Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus“, hrsg. von AWO, Caritas, Diakonie, Der Paritätische und ZWST, Berlin, August 20172.
Die Broschüre ist im Zusammenwirken von AWO, Caritas, Diakonie, Der Paritätische und ZWST entstanden. Die fünf Verbände der Freien Wohlfahrtspflege setzen sich gemeinsam ein für den Erhalt einer demokratischen Gesellschaft und eines sozialen Staates gegen zunehmende rechtsextreme Einstellungen und Handlungen. In diesem Sinne soll die Handreichung zu einer stärkeren Sensibilisierung führen, Wissen über Strategien und Erscheinungsformen von Rechtsextremismus und Rechtspopulismus vermitteln sowie Hinweise auf Beratungs- und Unterstützungsangebote bieten.
Die Zweitauflage hat ein neues Grußwort von Dr. Katarina Barley, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
AWO Ansicht: Ausgabe "rechts"
gegen rechts: Rechtspopulismus wird salonfähig. Die Zahl rechter Gewalttaten nimmt zu. Höchste Zeit aufzuwachen und vor allem eines zu zeigen: Haltung gegen rechts. Das vorliegende Heft möchte neben den notwendigen Problemanalysen auch Mut machen und beispielhaft zeigen, wie entschlossenes Handeln gegen Rechtspopulist*innen und Rechtsextremist*innen möglich ist. Wir sind nicht hilflos.
Fachtagung am 29. September 2017 in Duisburg
Zehn Jahre EU-Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Lokale Erfahrungen und gesellschaftliche Anforderungen
Mit dem Fokus auf die Flüchtlingssituation ist die EU Zuwanderung in den Schatten der Aufmerksamkeit geraten. Dabei verweist die Zuwanderung innerhalb der Europäischen Union auf die bestehenden strukturellen Integrationsdefizite in unserer Gesellschaft. Sie wurden mit der Diskussion um die „Armutszuwanderung“ den Zugewanderten zum Vorwurf gemacht. Gleichzeitig wird der Gewinn, den Deutschland durch den Arbeitskräftezuzug erfährt, davon entkoppelt. Die Tagung soll beide Aspekte zusammenbringen und eine Bilanz der Auswirkung der zehnjährigen EU-Mitgliedschaft von Bulgarien und Rumänien auf die deutsche Gesellschaft ziehen. Dabei soll insbesondere den lokalen Konsequenzen breiter Raum geschenkt werden.
Am Vormittag berichten AWO Träger aus München, Bremerhaven und Duisburg über ihre Erfahrungen und Projekte, am Nachmittag sind drei Inputs vorgesehen, u.a. aus gewerkschaftlicher und menschenrechtlicher Sicht. Mit dem Abschlussvortrag „Arme unerwünscht. Die Stigmatisierung von Zuwanderern“ wird die Tagung beendet.
Die Veranstaltung ist kostenfrei, Hotel- und Reisekosten sind selbständig zu übernehmen.
„Den Menschen im Blick - Vorurteilssensible und rassismuskritische Bildung“
Das Projekt zur Kompetenzstärkung gegen Rassismus und Diskriminierung im Beruf und Alltag ist am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München angesiedelt und wird im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ vom BMFSFJ gefördert (2017 bis 2019).
Zentrales Ziel des Projektes ist es, Grundlagen und praktisches Material dafür zu schaffen, Führungskräfte und Mitarbeitende von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen zu befähigen, souverän und professionell mit Beschäftigten, Ratsuchenden und Klientinnen in einer zunehmend diversen Gesellschaft umzugehen und sie fit zu machen für einen sicheren Umgang mit rassistischen und andere menschenfeindlichen Orientierungen. Zielinstitutionen sind: Verwaltungen, Polizei, Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände. Die Entwicklung der Schulungen wird in Kooperationen mit einzelnen Institutionen umgesetzt.
Die AWO ist eine der Partner-Institutionen dieses Projektes. Einerseits wirkt Brigitte Döcker, Vorstandsmitglied des AWO Bundesverbandes, im Projektbeirat mit, andererseits sind vier AWO Träger bei den lokalen Treffen in München, Freiburg, Jena und Hildesheim eingebunden: Der Kreisverband München, der Bezirksverband Baden, der Landesverband Thüringen zusammen mit dem Kreisverband Jena-Weimar sowie der Kreisverband Hildesheim. Bei diesen Treffen geht es vor allem um die Entwicklung von verschiedenen berufsheterogenen und adressatenspezifischen Schulungsmodulen und –materialien.
Der zweite Schwerpunkt des Projekts liegt in der Etablierung einer Onlineplattform. Hier werden internationale und interdisziplinäre Forschungsbefunde zum Umgang mit Rassismus vorgestellt und diskutiert, Erfahrungen aus der Alltagspraxis dargestellt sowie Projektergebnisse (pädagogische Handreichungen, Schulungsmodule und multimediale Materialien) zur Verfügung gestellt. Das Online-Portal wird Mitte September aktiviert. Die URL lautet dann: www.den-menschen-im-blick.de
Dies ist ein Blogpost im Rahmen des AWO-Wahlcountdowns 2017. Die Wochen vor der Wahl begleitet die AWO mit ihrem Wahlcountdown: 12 Forderungen an die Politik, eingebettet in 12 Themenwochen. Dieser Blogpost ist Teil der Themenwoche "Rassismus".
Alle Themenwochen des Wahlcountdowns gibt es hier.
AWO Diskussionsforum „Vorurteile-Ressentiments-Populismus“
Rassistische Einstellungen, Gewalt und Hetze sind mit den freiheitlich-demokratischen Grundwerten wie Toleranz und Achtung der Menschenwürde unvereinbar, sind jedoch im Alltag nicht mehr zu ignorieren. Der Kurs der Rechtsradikalen basiert auf Hasspropaganda, dem Plädoyer für eine Abschottungspolitik, der Stigmatisierung und Ausgrenzung von Minderheiten sowie der Hetze gegen Andersdenkende oder gegen vielfältige Lebensformen. Und er schlägt sich auch in der wachsenden Gewaltbereitschaft nieder: Laut Bundeskriminalamt wurden 2015 insgesamt 1.031 Straftaten (Sachbeschädigung, Gewaltdelikte und Brandstiftungen) gegen Flüchtlingsunterkünfte verübt, 2016 wurden 960 Übergriffe registriert. Hinzu kommt, dass sich die Feindseligkeit und Aggression zunehmend auch gegen Journalist*innen, Politiker*innen und Personen richtet, die sich im Menschenrechts- und Flüchtlingsbereich engagieren.
Angesichts dieser Entwicklungen regt der AWO Bundesverband eine Debatte an, wie mit diesen Tendenzen umzugehen ist und welche Maßnahmen erforderlich sind, damit sich die Gesellschaft nicht weiter spaltet, sondern ein Gesellschaftsmodell von Solidarität und Toleranz gefestigt wird.
Das Diskussionsforum zum Internationalen Tag des Rassismus am 21.3.2017 widmete sich der Thematik „Vorurteile-Ressentiments-Populismus“. Nach dem Einführungsvortrag des Historikers Wolfgang Benz, „Provokation und Demagogie. Populistische Empörung statt demokratischer Politik“ folgte eine Diskussion mit Wolfgang Thierse, Britta Hilpert, Britta Schellenberg und Gerwin Stöcken.