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14.06.2022 | Pressemitteilung

Wertschätzung statt Verpflichtung – AWO fordert Stärkung der Freiwilligendienste

die AWO lehnt ein soziales Pflichtjahr für junge Menschen ab und fordert eine Stärkung der Freiwilligendienste.

Derzeit wird erneut eine soziale Pflichtzeit für junge Menschen gefordert. Dazu Brigitte Döcker, Vorsitzende des AWO-Bundesverbandes:

„Als AWO lehnen wir eine Dienstpflicht ab und setzen klar auf Freiwilligkeit. Wir stehen für ein selbstbestimmtes freiwilliges Engagement und sind überzeugt, dass die Freiwilligendienste (FSJ und BFD) dafür einen ausgezeichneten Rahmen bieten. Was wir wirklich benötigen, ist mehr Wertschätzung und Anerkennung für junge Menschen, die einen Freiwilligendienst leisten. Dieses freiwillige Engagement noch viel ernster zu nehmen, würde den Gemeinsinn stärken. Das ist aus unserer Sicht auch der richtige Weg, Menschen für soziale Berufsfelder zu interessieren.“ Es gibt ein strukturelles Fachkräfteproblem im sozialen Bereich, das lässt sich aber nicht mit zwangsverpflichteten jungen Erwachsenen lösen, so die AWO weiter. Im Gegenteil führt ein Pflichtdienst dazu, dass die häufig ohnehin schon überlasteten Fachkräfte sich zusätzlich um im schlechten Fall unfreiwillige Helfer*innen kümmern müssen. Was der soziale Bereich stattdessen benötigt, sind mehr Fachkräfte, die gut ausgebildet und motiviert sind.

Diejenigen, die die Pflichtzeit befürworten, führen an, wie prägend und erhellend die Erfahrungen in einem sozialen Dienst sind. Das ist zweifellos richtig, aber Solidarität und Gemeinsinn können nicht mit einem Pflichtdienst erzwungen werden. Der Ruf nach einem Pflichtdienst unterstellt, dass sich junge Menschen aus eigenem Antrieb nicht für das Gemeinwohl interessieren. Weder die Shell-Jugendstudien noch die Freiwilligensurveys geben Anhaltspunkte für einen solchen Befund. Sie zeigen im Gegenteil, dass junge Menschen zu den hoch engagierten Gruppen der Bevölkerung gehören. Jugendliche und junge Erwachsene kommen aus zwei Jahren Pandemie, in denen der Staat große Versäumnisse darin gezeigt hat, die Bedürfnisse junger Menschen angemessen zu berücksichtigen, den Schulbetrieb vernünftig zu organisieren und vieles mehr. Nun eine Pflichtdienstdebatte anzustoßen, ist das absolut falsche Signal. Wenn Menschen dazu gezwungen werden in Bereichen zu arbeiten, die ihnen nicht liegen, wird der Effekt vielleicht sogar abschreckend sein.

Die Freiwilligendienste zeigen, wie es stattdessen geht: Jedes Jahr absolvieren rund 100.000 junge Menschen bundesweit ein FSJ / BFD / FÖJ und engagieren sich für das Gemeinwohl, für andere Menschen und auch für sich selbst, indem sie Erfahrungen sammeln, berufliche Orientierung gewinnen usw. In den begleitenden Seminaren reflektieren die Freiwilligen ihre Erfahrungen und befassen sich intensiv mit der Frage, in welcher Gesellschaft sie leben wollen und was für das Gemeinwohl zu tun ist. Viele können sich nach dem Freiwilligendienst eine berufliche Zukunft im sozialen Bereich vorstellen – bei der AWO sind das über 60 Prozent, wie unsere regelmäßigen Freiwilligenbefragungen zeigen.

Mit Sicherheit lassen sich noch mehr Menschen für ein FSJ oder eine BFD gewinnen. Dafür braucht es allerdings eine Verbesserung der Rahmenbedingungen sowie eine deutliche Steigerung der Bekanntheit und Wertschätzung. Sehr entscheidend ist, dass jede*r, die*der es möchte, sich einen Freiwilligendienst auch leisten kann. Das sei bisher nicht der Fall, so die AWO. Zum Beispiel bleiben Freiwillige, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, vom Taschengeld lediglich 250 Euro. Der „Rest“ wird auf das Haushaltseinkommen angerechnet. Zudem sind Freiwillige auf den ÖPNV angewiesen. Trotzdem müssen sie in der Regel selbst für ihr Ticket zahlen – während Angehörige der Bundeswehr kostenfrei fahren. Dies sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass es Nachholbedarf in Bezug auf die Anerkennung und Wertschätzung für Freiwilligendienstleistende gibt. „Es geht darum, den Freiwilligendienst attraktiver zu gestalten und mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, sich für ein freiwilliges soziales Engagement zu entscheiden. Hier muss die Debatte ansetzen,“ so Döcker abschließend.

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