Aktuell
27.10.2020

Armut weltweit beenden – Wir arbeiten dran!

Freiheit ist seit 100 Jahren einer der fünf Grundwerte der AWO. Das erste Ziel der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung ist: keine Armut. Für die AWO geht beides Hand in Hand. Denn Freiheit bedeutet, menschenwürdig leben zu können, frei von Willkür und Unterdrückung, aber auch frei von Not und Armut.

 

Mehr als 760 Millionen Menschen auf der Welt leben unterhalb der Armutsgrenze. Laut der Definition der Weltbank haben sie demnach weniger als 1,90 US Dollar am Tag für Nahrung, Wasser, Medizin, Kleidung und alles weitere für den täglichen Bedarf zur Verfügung. Die Folgen von Armut sind daher Unterernährung und Wohnungslosigkeit sowie gesundheitliche Folgen und soziale und politische Ausgrenzung.

Ziel 1: Keine Armut

Daher lautet das erste Ziel der 17 nachhaltigen Ziele „Armut in allen ihren Formen und überall beenden“. Bis 2030, so das 2015 beschlossene Ziel, soll Armut weltweit beendet sein. Bei der AWO findet sich dieses Ziel in unserem Grundwert „Freiheit“. Denn frei kann nur sein, wer sich um das tägliche Überleben keine Sorgen machen muss. Und frei kann nur sein, wer dem Teufelskreis der Armut aus eigener Kraft entkommen kann.

Durch die weltweite Corona-Pandemie rückt das Ziel, die weltweite Armut zu beseitigen, in ferne Zukunft.

Laut Weltbank werden Millionen Menschen in den sogenannten Entwicklungsländern als direkte Folge von Corona in die Armut zurückfallen. (Quelle: https://openknowledge.worldbank.org/bitstream/handle/10986/34496/9781464816024.pdf).

Die Prognosen des Berichts gehen davon aus, dass im Jahr 2020 zwischen 88 Millionen und 115 Millionen Menschen infolge der Pandemie wieder in extreme Armut zurückfallen könnten, mit einem zusätzlichen Anstieg zwischen 23 und 35 Millionen im Jahr 2021. Dadurch könnte die Gesamtzahl der neuen Menschen, die in extremer Armut leben, möglicherweise auf 110 bis 150 Millionen ansteigen.

Betroffen sind unter anderem Hundertausende von Tagelöhner*innen, die durch die strengen Lockdowns schlagartig ihre Arbeit verloren. Zudem machten sich Hunderttausende von Arbeitsmigrant*innen aus Angst vor dem Virus und strengen Restriktionen auf den Weg in ihre Heimatländer – sie verloren damit nicht nur ihre persönliche Einkommensgrundlage, sondern können auch notwendige Rücküberweisungen an ihre Familien nicht mehr tätigen.

So helfen wir: Auswege für Corona-gestrandete Arbeitsmigrantinnen

Auf Mindanao, der zweitgrößten Insel der Philippinen, wird hauptsächlich Plantagenwirtschaft, Bergbau und Fischerei betrieben. In diesen Industrien gibt es nur Arbeitsplätze für einen kleinen Teil der Bevölkerung. Viele Menschen verdingen sich als Tagelöhner*innen, arbeiten als Küstenfischer*innen, betreiben kleine Sari-Sari Shops (Kioske) oder gehen ähnlichen Tätigkeiten nach, um ihre Familie ernähren können. In vielen Teilen von Mindanao herrscht Armut, weil es nicht genügend Einkommensmöglichkeiten gibt und der Zugang zu Ressourcen wie Land, Fischgründe, Kapital stark begrenzt ist.

Viele von Armut bedrohte Familien entschließen sich deshalb, ein Familienmitglied als sogenannte Overseas Filippino Workers (OFW) zur Arbeit ins Ausland zu schicken. Für die Arbeitsmigrant*innen ein schweres Los: Trennung von der Familie und gleichzeitig eine finanzielle Belastung, weil im Verlauf des Vermittlungsverfahrens und der Ausreise Kosten fällig werden. Doch für viele ist die Hoffnung auf ein stabiles Einkommen das Risiko wert, um die Versorgung der Familie zu sichern.

Das System der philippinischen Arbeitsmigrant*innen ist dabei relativ gut organisiert und staatlich gefördert. Das verhindert schwerwiegende Probleme für die einzelnen Arbeitsmigrant*innen leider nicht. Eine besondere Anfälligkeit besteht gegenüber unvorhersehbaren Krisen, wie sie seit Anfang des Jahres weltweit durch die Corona-Pandemie besteht: Viele verloren von einem Tage auf den anderen ihr Einkommen und sitzen in einem fremden Land fest. Wer Glück hat, wird bei einer der staatlich organisierten Rückführungen berücksichtigt, die allerdings in einer Quarantäneeinrichtung in Manila enden. Immer noch weit weg von zu Hause, wie unsere lokalen Partner berichten.

AWO International arbeitet seit 2018 mit dem Mindanao Migrants Center for Empowering Actions, Inc. (MMCEAI) zusammen. Gemeinsam setzen wir uns für die Belange von Arbeitsmigrantinnen, ihrer Familien und Gemeinden auf der großen Insel im Süden der Philippinen ein.

Blick in eine ungewisse Zukunft

So beispielsweise für die 35-jährige Sally* aus Davao City, Mindanao. Sie war als Hausangestellte in Singapur tätig – und wurde von ihrem Arbeitgeber misshandelt. Nicht selbstverständlich in solch einer Situation, war es ihr gelungen, eine polizeiliche Anzeige einzureichen und bei ihrer Vermittlungsagentur eine Versetzung zu erwirken. Sie wurde auf die Philippinen zurück geschickt, wo ihre Reise auf halbem Weg in Manila endete, da die Reise- und Kontaktbeschränkungen aufgrund der Pandemie sowohl die Weiterreise an ihren Heimatort wie auch die Wiedervermittlung eines neuen Arbeitsplatzes unmöglich machten. Nach drei Monaten schaffte sie es zurück nach Davao, doch ohne Einkommen hatte sie ihr gesamtes Geld verbraucht. Als Hauptverdienerin hängen die Tilgung der Familienschulden und die Deckung der Kosten für den täglichen Lebensunterhalt hauptsächlich von ihrem Einkommen ab. Das bleibt seit Monaten aus. Besonders schwer bedrückt sie, neben der noch unverarbeiteten  Missbrauchserfahrung, die Aussicht, nicht einmal für die Schulgebühren ihres Kindes aufkommen zu können, berichtet sie.

Unsere Partnerorganisation MMCEAI vermittelt Sally nun in geeignete Hilfsprogramme, um sowohl die Missbrauchserfahrung aufzuarbeiten als auch eine neue Einkommensmöglichkeit zu finden. Zudem wird sie über ihre Rechte aufgeklärt und mit anderen Rückkehrerinnen zusammengebracht. Gemeinsam machen sich die Frauen stark gegen Ausbeutung. Durch die Vermittlung an relevante Stakeholder – wie zivilgesellschaftliche Organisationen, Kirchen, Medien aber auch nationale und lokale Regierungsstellen sowie Sicherheitsbehörden und Polizei – können sie ihrer Stimme Gehör verleihen.

*Name geändert

Die Kampagne "Wir arbeiten dran!" hat ihren Schwerpunkt im Zeitraum September 2020 bis Januar 2021. Alle Informationen sowie Materialien finden sich auf www.wirarbeitendran.awo.org.

AWO-Gliederungen haben hier auch die Möglichkeit, eigene Praxisbeispiele einzureichen. Für Rückfragen steht beim AWO Bundesverband Steffen Lembke zur Verfügung.

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