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Doppelte Staatsangehörigkeit und die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Drittstaatsangehörige

Drei Fragen an Selim Özen, Mitglied im Arbeitskreis Migration und Koordinierungskreis Migrationssozialarbeit des Bundesverbandes, Leitung Fachbereich Migration und Familienhilfe, AWO Bezirksverband Rheinland 

Warum sind die doppelte Staatsangehörigkeit und die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Drittstaatsangehörige aus Ihrer Perspektive wichtig?

In der heutigen von Globalisierung stark geprägten Welt, wo Menschen aus unterschiedlichsten Gründen temporär oder auf Dauer, transnational unterwegs sind, ist das heutige Staatsangehörigkeitsverständnis, mit seinen Attributen, wie Heimat und Identität nicht zeitgemäß.

Viele Menschen sind international und interkulturell geprägt, sodass der klassische Heimatbegriff auf sie nicht zutrifft. Sie erleben Heimat ganz anders und vielfach. Heimat bedeutet für die viele, da wo sie leben, wo sie ihre Familie und ihre Freunde haben. Heimat bedeutet aber auch für viele, wo sie satt werden und in Frieden leben.

Eine Entscheidung zwischen der bisherigen und der neuen möglichen Staatsangehörigkeit, ist für viele Einwander*innen eine große psychische Belastung, ein Konflikt. Die Abgabe der alten Staatsangehörigkeit stellt für den Betroffenen einen Bruch mit der Familie im Herkunftsland zurückgelassenen Familie oder Verwandtschaft dar, ein Teilverlust der  Identität und Sozialisation.

Die Reformgegner*innen bringen vielfach das Argument der Loyalität bzw. des Loyalitätskonflikt an.  Man verkennt jedoch, dass Loyalität nicht (nur) mit der Herkunft bzw. mit der Zugehörigkeit zu einer Gruppe zusammenhängt, sondern vielmehr durch die Identifikation mit den Normen und Werten einer Gesellschaft, die mit deren Verfassung verbunden ist, in der sie leben.

Insofern muss das Staatsangehörigkeitsgesetz den heutigen, modernen, pluralen und weltoffenen Gesellschaft angepasst und reformiert werden. Nicht nur die Hinnahme der doppelten, sondern generell die Gewährung von Mehrstaatlichkeiten muss erlaubt werden.

Bereits heute leben über 2 Mio. Menschen mit einer doppelten Staatsbürgerschaft in Deutschland. Sie sind hier Zuhause und als Teil der Gesellschaft tragen sie zum gemeinsamen Wohlstand bei.

Das Gefühl in der Mehrheitsgesellschaft, was in den früheren Jahren durch den Wahlkampf auch geschürt worden ist, durch die doppelte Staatsbürgerschaft privilegiert zu sein, stimmt so nicht. Im Gegenteil, sie können teils auch Nachteile dadurch haben, wie zum Beispiel bei türkischen Staatsangehörigen, im Erb- bzw. Rentenrecht. 

"Die Hinnahme der Mehrstaatlichkeit würde vielmehr den innerlichen Konflikt, für oder gegen sein zu müssen, verhindern und der Identität des Betroffenen so Anerkennung zollen."

Ich bin sicher, dass dieses viele Menschen dazu bewegen wird, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit werden gesetzliche Ungleichbehandlungen aufgehoben und Diskriminierungen abgeschafft. Das WIR-Gefühl und das Zugehörigkeitsgefühl bei den Menschen werden gestärkt.

Durch das Wahlrecht können Einwanderer*innen politisch partizipieren und gesellschaftliche Verantwortung für die Geschehnisse übernehmen.

Auch unabhängig von der Staatsangehörigkeit sollten alle Bürger*innen in einer Kommune, Mitspracherecht und Gestaltungsrecht Inne haben. Dies ist mit einem kommunalen Wahlrecht für ALLE zu ermöglichen Dies würde ein Umdenken in der Politik als auch im Gemeinwesen bewirken und positives Signal an die Menschen, dass alle gleichbehandelt werden und zwei Klassen von Menschen politisch untersagt ist. Das Zusammenleben wäre durch das Zusammengestalten und zusammen für das Gemeinwesen Verantwortung zu übernehmen somit bereichert.

Was sollten unsere Forderungen an die Politik sein?

  • Hinnahme der Mehrstaatlichkeit
  • Einführung des kommunalen Wahlrechtes für ALLE Menschen in einer Kommune
  • Ausrichtung der Kommunalpolitik auf die Bedarfe von Einwanderer*innen
  • Öffnung und Gewinnung von Einwanderer*innen in Parteien, kommunal Politik
  • Kein Wahlkampfthema: Kein Gegeneinander aufspielen zwischen der Mehrgesellschaft und der Einwanderer
  • Das WIR-Gefühl in der Kommune fördern durch Projekte und Ansprache

Was kann die AWO tun?

  • Einwanderer auffordern sich stärker politisch zu engagieren
  • Gezielt migrantische ehrenamtliche für das bürgerliche Engagement gewinnen
  • Bildungsangebote für diese Gruppe vorhalten
  • Parteien im Prozess der Öffnung unterstützen
  • Enge Zusammenarbeit mit den kommunalen Beiräten für Migration und Integration/ kommunalen Integrationsbeiräten
  • Enge Zusammenarbeit mit den Migrantenorganisationen

Die AWO begleitet die 12 Wochen bis zur Wahl unter dem Motto „Deutschland, Du kannst das!“ mit sozial- und gesellschaftspolitischen Forderungen an die kommende Bundesregierung. Dieser Beitrag gehört zur Themenwoche „Miteinander Füreinander“. Mehr dazu unter: awo.org/bundestagswahl-2021.

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