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04.11.2015 | Pressemitteilung

Gute Palliativversorgung kann Angst vorm Sterben nehmen

Von: Stefan Hoffmann

 

Am 5. und 6. November 2015 werden im Deutschen Bundestag das Hospiz- und Palliativgesetz wie auch die gesetzliche Regelung zum assistierten Suizid abschließend debattiert und voraussichtlich verabschiedet – zwei Gesetze, die in engem inhaltlichen Zusammenhang stehen. „Wenn allen Schwerkranken und Sterbenden eine ausreichende und gute Palliativversorgung zur Verfügung stünde, würde sich die Frage nach einem Suizid in der Regel nicht stellen“, erklärt AWO Vorstandsmitglied Brigitte Döcker.
Der Ethikrat der Arbeiterwohlfahrt (AWO) sieht in einer geschäftsmäßigen Förderung oder Unterstützung der Selbsttötung eine große Gefahr. So könnte sich deren Inanspruchnahme zur erwünschten sozialen Norm entwickeln und bei den Betroffenen das Bewusstsein entstehen, dass eine aktive Sterbehilfe das gesellschaftlich erwünschte Verhalten sei. „Der Ethikrat der AWO lehnt daher alle Lösungsversuche, die den Anschein einer sozialen Normalität der Beihilfe zur Selbsttötung wecken könnten, ausdrücklich ab“, erklärt Döcker.
Allerdings gibt es Fälle, in denen Menschen von irreversibel zum Tode führenden Erkrankungen mit sehr hohem Leidenspotential betroffen sind. Hier muss der legale ärztliche Handlungsspielraum bei der palliativen Behandlung und Sedierung bzw. Versorgung am Lebensende im Rahmen der individuellen Arzt-Patient-Beziehung frei von Dogmatismus zur Verfügung stehen. Die AWO schließt sich daher der Empfehlung des Deutschen Ethikrats ausdrücklich an, wonach „die Ärztekammern einheitlich zum Ausdruck bringen sollten, dass ungeachtet des Grundsatzes, dass Beihilfe zum Suizid keine ärztliche Aufgabe ist, im Widerspruch dazu stehende Gewissensentscheidungen in einem vertrauensvollen Arzt-Patient-Verhältnis bei Ausnahmesituationen respektiert werden“ (Deutscher Ethikrat 2014). „Dieser Ansatz wird den betroffenen Menschen gerecht, vermeidet aber gleichzeitig den Anschein sozialer Normalität für die Unterstützung der Selbsttötung“, betont Döcker.
Dass die Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland auch sieben Jahre nach der Neuordnung der Finanzierung der ambulanten und stationären Hospizarbeit immer noch defizitär ist, stellt einen Anlass für diese Debatte dar. Insofern ist das neue Hospiz- und Palliativgesetz zu begrüßen. Die geplanten Gesetzesänderungen schreiben jedoch die Ungleichbehandlung von schwerkranken und sterbenden Menschen in Pflegeheimen und Hospizen weiter fest. „Die Tatsache, dass die dringend notwendige finanzielle Verantwortung der Krankenkassen für eine bedarfsgerechte palliative Versorgung der Menschen in Pflegeheimen nicht umgesetzt wird, ist mehr als fragwürdig“, so Brigitte Döcker und weiter: „pflegebedürftige Menschen in Heimen werden systematisch schlechter gestellt“. Bezogen auf die Zielsetzung des Gesetzes, die Stärkung und der flächendeckende Auf- und Ausbau von Versorgungstrukturen und Angeboten der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland, bleibe das Gesetz Stückwerk. So wird das Gesetz auch der Tatsache nicht gerecht, dass inzwischen jeder dritte Mensch in Deutschland in einem Pflegeheim stirbt. Die AWO hofft daher auf eine kritische Debatte im Bundestag und die Schließung dieser Gesetzeslücke.

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